Swissness

Geschrieben am 20 April, 2007, unter

Zur Abwechslung etwas wissenschaftliches: Ein Auszug aus meiner Seminararbeit zum Thema Swissness.

Swissness

Die Postulate Hutter vom 16.3.2006[4] und Fetz vom 24.3.2006[5] und die darauf folgende Prüfung des Bundesrates[6] zeigen einerseits die Aktualität, aber auch die Problematik die Bezeichnung Schweiz und das Schweizerkreuz sinnvoll und durchsetzbar zu schützen.
Die Parteizugehörigkeit von Jasmin Hutter (SVP) und Anita Fetz (SP) sowie die Diskussion in den Medien festigt die Annahme, dass die Forderung nach einer klaren und transparenten Regelung eine breite Abstützung hat.

2.1 Positionierungspotential Swissness

Einleitend gilt es zu analysieren welchen Wert Swissness für die Konsumenten hat. Clemens Koob, Stephan Feige1, Torsten Tomczak2 und Joachim Kernstock3 haben im 2004 eine Umfrage bei 296 Konsumenten aus der Schweiz und Deutschland durchgeführt und die Resultate unter dem Titel Positionierungspotential Swissness im persönlich vom November 2004 publiziert[7].
Schon als „normaler“ Konsument kann man einen klar steigenden Trend in der Verwendung von Swissness bzw. den damit verbundenen Qualitätsmerkmalen feststellen4.
Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt ist, ob die Produktherkunft den Kaufentscheid in einem relevanten Mass beeinflusst.
Gemäss der Umfrage[7] ist die Bedeutsamkeit der Herkunft bei 43% gross bis sehr gross und lediglich bei 12% nicht wichtig. Bei den Lebensmitteln sind es gar 53% und
14%.
Im Food-Bereich dient die Herkunftsangabe den Konsumenten als Informationsfunktion und schafft Orientierung im grossen und unübersichtlichen Food-Angebot. Auch vermittelt die Herkunft eine Sicherheit, kann also wie bei Brands als vorfabrizierte Sicherheit betrachtet werden. Hinzu kommt die Eigenschaft, dass durch die Herkunftsangabe ein spezifisches Lebensgefühl vermittelt werden. Beispiele hierzu sind Savoir Vivre und italianà.
Von 61% wird dabei die Schweizer Herkunft gegenüber einem anderen Land
bevorzugt.
Zusammenfassend halten die Autoren fest, dass im Food-Bereich Swissness ein kaufrelevanter Faktor ist.

Welche Möglichkeiten sich aus unternehmerischer Sicht bieten, zeigen die Resultate der Studie[7] bei der Befragung nach dem Bild, das die Konsumenten von der Schweiz haben. Dieses kann mit drei Faktoren beschrieben werden:

Heile Welt
Dies wird von 78% der Befragten genannt und ist somit der stärkste Faktor. Mit Heile Welt werden Charakteristiken wie hohe Lebensqualität, Präzission, Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Solidität verstanden. Ordentlich, effizient und landschaftlich reizvoll sind die ergänzenden Adjektive.
Spitzenleistung
Für 14% der Befragten ist die Schweiz mit Spitzenqualität gleichzusetzen und für 38% verkörpert sie diese. Weitere Eigenschaften sind Innovation, exklusive Produkte und hervorragender Service.
Weltläufigkeit
32% sind sehr oder vollkommen von einer weltoffenen, kosmopolitisch und kulturell vielfältigen Schweiz überzeugt.
Ergänzend lassen sich die Eigenschaften Prestige, Exklusivität und Luxus nennen. Swissness ist weiter für viele der Inbegriff für Stabilität und Langlebigkeit.
Die Umfrageergebnisse der Schweiz und Deutschland überdecken sich grösstenteils.
Bei der Spitzenleistung ist der prozentuale Anteil in Deutschland sogar noch grösser. Insgesamt stellen die Autoren fest, dass Swissness gut genutzt werden kann um ein Produkt glaubwürdig zu vermitteln.

Dabei stellt sich natürlich auch die Gegenfrage:
Welche negativen Assoziationen weckt Swissness bzw. wann steht es im Widerspruch mit dem Produkt?
Gemäss der Umfrage[7] steht an erster Stelle die Preiswürdigkeit sprich die Vermutung, dass das Produkt relativ teuer ist. Weiter besteht der Eindruck es sei nicht aussergewöhnlich innovativ. Auch schreiben die Konsumenten der Schweiz wenig Sexappeal zu (26%5).

Die Autoren schliessen ihre Studie[7] mit dem Kommentar, dass Swissness den
Konsumenten das Gefühl vermittelt das richtige Produkt gewählt zu haben und dass Swissness einiges an Potential bietet wobei dieses je nach Branche unterschiedlich sein kann (an erster Stelle steht klar der Food-Bereich).

Abbildung 2.1 zeigt die Umfrage-Resultate der Swissness-Faktoren.

Abbildung 2.1: Swissness Faktoren[7]



2.2 Der Bericht des Bundesrates

Veranlasst durch die beiden Petitionen Hutter[4] und Fetz[5] hat der Bundesrat den gegenwärtigen Schutz der Bezeichnung Schweiz und des Schweizerkreuzes geprüft und in einem Bericht publiziert[6].
Die Marke Schweiz wird in der Öffentlichkeit als geografische Herkunftsbezeichnung wahrgenommen, die sogenannte Swissness. Die Wertigkeit dieser, habe ich im ersten Kapitel aufgezeigt.
Die drei zentralen Fragen, die sich der Bundesrat bei der Prüfung stellte waren:
  • wer ausser der Eidgenossenschaft das schweizerische Hochheitszeichen oder
  • die verbale oder bildliche Bezeichnung Schweiz verwenden darf und
  • wer den Rechtsschutz durchsetzen soll.
Dabei bekennt sich der Bund klar zur Aufgabe das schweizerische Image, dessen Entwicklung und Vermittlung zu pflegen und zu fördern.
Bei der Analyse der aktuellen Rechtslage stellte der Bundesrat Handlungsbedarf fest.
Durch die neu entdeckte Swissness als Marketinginstrument wuchs auch der Wildwuchs bzw. der Missbrauch. Dies führte zu Klagen und einer erhöhten Sensibilität von Bevölkerung und Presse. Das wohl prägnanteste Exempel sind die SIGG-Pfannen, die in einer Coop-Aktion verkauft wurden. Obwohl diese in China produziert wurden, trugen sie die Bezeichnung Schweiz.

2.3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Den völkerrechtlichen Rahmen bilden insbesondere die Pariser Verbandsübereinkunft6 und das TRIPS7. Zusätzlich führt der Bundesbericht die Genfer Konvention wegen der Verwechslungsgefahr des Schweizerkreuzes mit dem Kreuz des Roten Kreuzes auf. Neben diesen Internationalen Abkommen, regelt das Nationale Recht zusätzlich die Verwendung des Schweizerkreuzes und der Bezeichnung Schweiz. So untersagt das Wappengesetz von 1931 die Eintragung des Schweizer Wappens als Warenmarke und die Verwendung zu geschäftlichen Zwecken auf Waren8. Hingegen ist der nicht kommerzielle und dekorative Gebrauch auf Produkten erlaubt (z.B. ein grosses Schweizerkreuz auf einem T-Shirt). Auch erlaubt ist das Anbringen eines stark stilisierten Schweizerkreuzes vorausgesetzt, dass keine Verwechslungsgefahr besteht.
Für Dienstleistungsmarken sowie in derWerbung und auf Prospekten darf das Schweizerkreuz
verwendet werden. Wiederum nur solange es nicht täuschend ist im Bezug auf
die Herkunft der Dienstleistung.
Noch allgemeiner geregelt ist die Verwendung von Swiss und Schweiz. Dabei gilt es zu erwähnen, dass auf Grund der Nicht-Monopolisierbarkeit der Bezeichnung Schweiz keine Marke Schweiz im rechtlichen Sinne existiert und somit auch kein eigentlicher Berechtigter, der über die Verwendung und Durchsetzung der Bezeichnung Schweiz/Schweizerkreuz
entscheiden könnte.
Die Voraussetzungen für die Verwendung von Schweiz oder Swiss für Produkte sind im Markenschutzgesetz9 sehr allgemein genannt: Die Herkunft einer Ware bestimmt sich nach dem Ort der Herstellung oder nach der Herkunft der verwendeten Ausgangsstoffe und Bestandteile10. Der Bundesrat kann diese Voraussetzungen konkretisieren, wenn das allgemeine Interesse der Wirtschaft oder einzelner Branchen es rechtfertigt. Abgesehen von dieser Verordnung kann man sich zu diesem Thema einzig auf die spärliche Rechtsprechung stützen, insbesondere auf diejenige des Handelsgerichts St. Gallen, wonach der schweizerische Wertanteil an den Herstellkosten der Ware mindestens 50% betragen und der wesentliche Fabrikationsprozess in der Schweiz stattgefunden haben muss11.
Die Herkunft bei Dienstleistungen bestimmt sich gemäss Markenschutzgesetz entweder nach dem Geschäftssitz derjenigen Person, welche die Dienstleistung erbringt, oder nach der Staatsangehörigkeit oder dem Wohnsitz der Personen, welche die tatsächliche Kontrolle über die Geschäftspolitik und -führung ausüben.

2.4 Situation in der Praxis

Trotz Verbot wird das Schweizerkreuz sehr häufig verwendet. Das Problem dabei ist die rechtliche Interpretation bzw. die Unterscheidung zwischen erlaubtem dekorativen Gebrauch und untersagtem kommerziellen Nutzen sowie zwischen erlaubter stilisierter Abbildung und verbotener Täuschung. Als Beispiele können hier die Firmen Victorinox sowie Mövenpick aufgeführt werden. Bei ersterer ist das (stilisierte) Schweizerkreuz ein äusserst wichtiges Marketing-Instrument, an dem die ganze Produkte-Palette ausgerichtet ist. Zweitere führt Swiss im Logo auf, die Produktion ist aber vollständig ins Ausland ausgelagert.
Noch schwieriger ist die Kontrolle im Ausland. Da es die Marke Schweiz nicht gibt und somit auch kein Inhaber, sind Prozesse zu kostspielig und vor allem zu unsicher. Ein weiterer Grund ist, dass die Auslegung und Rechtsprechung zu den internationalen Abkommen häufig vage ist.

Deckt das Eidgenössische Amt für Geistiges Eigentum oder der Zoll einen Verstoss auf und der Produzent will nicht einlenken, informiert das Amt zwar die Schweizer Botschaft im Land und die Branchenverbände, weiterführende Mittel stehen jedoch nicht bereit.
Die Änderung der Gesetzlage wird für den Bundesrat eine Gradwanderung. Auf der einen Seite stehen die KMU’s, Presse und Öffentlichkeit, die eine strikte Regelung wollen und auf der anderen die grösseren Schweizer Firmen mit ausgelagerter Produktion.
Der Bundesbericht erwähnt in diesem Zusammenhang, dass es grossen Firmen leichter falle neue Marken zu schaffen, die Swissness-Eigenschaften wie Zuverlässigkeit etc. vermitteln. Dies würde eher für eine strikte Regelung zugunsten der KMU’s sprechen.

2.5 Hauptziele und Massnahmen des Bundesrates

Der Bundesrat fokussiert auf folgende zwei Ziele:
  • In der Definition der Bezeichnung Schweiz und des Schweizerkreuzes mehr Klarheit, Transparenz und Rechtssicherheit schaffen.
  • Eine angemessene Durchsetzung im In- und Ausland.
Um diese Ziele zu erreichen wird das EJPD12 entsprechende Abklärungen durchführen, wobei auch die Handhabung in anderen Staaten angeschaut werden soll. Der Bundesrat wird einen Revisionsentwurf zum Bundesgesetz zum Schutz öffentlicher Wappen ausarbeiten und in der zweiten Hälfte des 2007 in die Vernehmlassung schicken.

Die Revision verfolgt die Stossrichtung, dass das Schweizerkreuz sowohl für Dienstleistungen und Produkte verwendet werden kann. Vorausgesetzt es handelt sich um ein Schweizer Produkt, wobei die Definition dessen ev. in den Gesetzen festgeschrieben wird.
Dies ist ein äusserst heikler Punkt.
Auch prüft der Bundesrat, ob dasWappengesetz überhaupt noch nötig ist bzw. ob dieses nicht in die Bestimmungen der Herkunftsangabe zusammengeführt werden könnte. Dies würde die Problematik der angesprochenen Unterscheidung zwischen Dienstleistung und Produkt sowie dekorativer Verwendung und kommerziellem Gebrauch lösen.
Zusätzlich werden die Dimensionen und Farben des Wappens genau festgelegt.
Um die Transparenz und die Rechtssicherheit zu erhöhen, wünscht der Bundesrat eine Diskussion mit den Branchenverbänden. So können massgeschneiderte Verordnungen ausgearbeitet werden. Die fehlende Übereinstimmigkeit innerhalb einer Branche könnte sich als Problem erweisen.
Für die Durchsetzung der Bestimmungen soll sich das Eidgenössische Amt für Geistiges Eigentum noch aktiver einsetzen. Unternehmen bei denen ein Verstoss festgestellt wird, müssen innerhalb einer Frist einlenken, ansonsten erstattet das Institut beim zuständigen Kanton Strafanzeige. Verstösse sollen bedeutend strenger geahndet werden.
Auch die Durchsetzung im Ausland soll verstärkt werden. Dafür soll das Institut die Markeneintragungen verstärkt überwachen - speziell in Ländern mit hoher Missbrauchsdichte. Wie bisher informiert das Institut bei einem Verstoss die Schweizer Botschaft und ev. direkt das Unternehmen. Als gesetzliche Grundlage dient der Artikel 6ter PVÜ13.
Eine Kontrolle über die Markeneintragungen hinaus ist unrealistisch und wird daher nicht gemacht.
Auch wird von einem Strafverfahren abgesehen14.
Das EJPD wird jedoch die Möglichkeit weiterer Massnahmen prüfen, wie zum Beispiel das Eintragen von Garantiemarken in ausgewählten Ländern, oder die Möglichkeit, den Schutz der Bezeichnung Schweiz durch bilaterale Abkommen weiter zu verstärken.

2.6 Planung der Revisionsarbeiten[6]

Unter dem Vorbehalt, dass das Parlament den Bundesbericht im Verlauf des ersten Halbjahres 2007 befürwortend zur Kenntnis nimmt, sieht die weitere Planung wir folgt aus:
  • Ausarbeitung eines Entwurfs durch das EJPD im ersten Halbjahr 2007, welcherdie Gesetzesrevisionen umfasst: Revision/Aufhebung des Wappenschutzgesetzes,
  • Änderung des Markenschutzgesetzes und des Rotkreuz-Gesetzes.
  • Beschluss des Bundesrates und Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens ca. im zweiten Halbjahr 2007.
Sollten die Ergebnisse der Vernehmlassung zeigen, dass zu wesentlichen Punkten erhebliche Meinungsverschiedenheiten bestehen: Bericht über die Ergebnisse der Vernehmlassung und Beschluss des Bundesrates über das weitere Vorgehen ca. im ersten Halbjahr 2008.
Andernfalls kann der Bundesrat in Anschluss an die Kenntnisnahme des Vernehmlassungsberichts eine Gesetzesbotschaft betreffend die Revision / Aufhebung des Wappenschutzgesetzes, Änderung des Markenschutzgesetzes und des Rotkreuz-Gesetzes ausarbeiten und dem Parlament ca. im zweiten Halbjahr 2008 unterbreiten.
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Fussnoten

1Clemens Koop und Stephan Feige sind geschäftsführende Partner der htp St. Gallen Managementberatung
AG, dem Maketingberatungs-Spin-off der Universität St. Gallen
2Professor Torsten Tomczak ist Direktor des Instituts für Marketing und Handel und Ordinarius für Betriebwirtschaftslehre an der Universität St. Gallen
3Joachim Kernstock ist Lehrbeauftragter für Betriebswirtschaftslehre mit besonderer Berücksichtigung des Marketings an der Universität St. Gallen und leitet das Kompetenzzentrum „Brand Management“am Institut für Marketing und Handel.
4Emmi Jogurt, Stöckli Ski, Valser Wasser u.a.
5Bei der jüngeren Generation ist dieser Wert höher.
6Verbietet den Gebrauch irreführender Wappen und Herkunftsbezeichnungen. Die Eintragung staatlicher Wappen und deren heraldische Nachahmung als Marke sind untersagt.
7Untersagt den Gebrauch täuschender oder falscher Herkunftsbezeichnungen.
8Als geschäftlicher Zweck gilt, wenn das Schweizerkreuz aufWaren angebracht wird, um deren Herkunft(Schweiz) zu bezeichnen.
9MSchG; SR 232.11
10Art. 48 Abs. 1 MSchG
11Vgl. dazu das Urteil des Handelsgerichts St. Gallen vom 24. April 1968
12Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement
13http://transpatent.com/archiv/152pvue/pvue.html#6
14Problem der Klagelegitimation
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Literaturverzeichnis

[4] Jasmin Hutter, Postulat 06.3056 „Schutz der Marke Schweiz“, eingereicht am 16.3.2006 im Nationalrat

[5] Anita Fetz, Postulat 06.3174 „Verstärkung der Marke Made in Switzerland“, eingereicht
am 24.3.2006 im Ständerat

[6] Bericht des Bundesrates, „Schutz der Bezeichnung „Schweiz“ und des Schweizerkreuzes“,
15.11.2006

[7] Publikation von Clemens Koob, Stephan Feige, Torsten Tomczak und Joachim
Kernstock in der