Armee als Dauerthema

Geschrieben am 16 Juni, 2008, unter

Als ehem. Bootsschütz Soldat und Gelegenheits-Kajaker/Rafter, will ich mich auch zum äusserst tragischen Unfall auf der Kander äussern.

Dass das inzwischen vier Tage alte Ereignis noch nicht kalter Kaffee ist, beweisen die heutigen Titelblätter der Tagespresse (allen voran natürlich der Blick).
Dieser hat recherchiert und herausgefunden, dass Yves M., der Vorgesetzte der verunglückten Gruppe, Präsident der Swiss Army Group (SAG) ist. Diese wurde im 2002 von RS-Absolventen gegründet um "sich gemeinsam ausserdienstlich an diversen Anlässen (Zweitagemarsch, Viertagesmarsch, mil Wettkämpfe) zu treffen".
Yves M. hat den Unfall verletzt überlebt, ist aber wegen einer Operation am Kiefer noch nicht ansprechbar.

Die Sache mit der SAG ist gemäss Blick äusserst brisant, da die Gruppe bereits zwischen dem 30. Mai und 1. Juni auf der untersten Abschnitt der Kander rafen war. Die Armee hat den "privaten" Ausflug "bewilligt" und das dafür benötigte Material zur Verfügung gestellt.

Dieser Support eines Militär-Clubs ist meines Erachtens nicht erstaunlich, denn dass es Armee-Fans gibt, ist nichts Neues und dass die wissen wie sie sich mit Armee-Mittel versorgen auch nicht ("Weiterbildung ausser Dienst ist erwünscht").
Das Anmeldeformular für die "private" SAG-Übung ist übrigens auf der Website der Offiziersgesellschaft Zürcher Unterland gehosted.

Erstaunlicher ist vielmehr wie dämlich und realitätsfremd über den Unfall in der Zeitung geschrieben wird und welche armseeligen Vermutungen seitens der Journalisten aufgestellt wurden. Es zeigt einmal mehr, dass die Armee eine isolierte und nicht-kritisierbare Institution ist.
Alle wissen wie schlecht und fahrlässig die Armee organisiert ist aber jetzt tut man mal wieder völlig überrascht und ist erstaunt, dass wo etwas überhaupt möglich ist.
Überraschend ist lediglich, dass nicht mehr solche Unfälle passieren.
Ich will jetzt aber auch nicht wieder die Armee anprangern, denn ich bin ja nicht Chef Armee und nur als solchen wäre ich legitimiert eine Kritik auszusprechen. Alle anderen Kritiker sind ja Verräter und haben keine Ahnung.
Daher zurück zu den Journalisten und ihren Fragen.

Waren die Soldaten ausgebildet?
Nein logisch nicht. Wildwasserfahren ist auch keine Ausbildung wie z.B. Gewehr Putzen. Das ist ein Training bzw. ein Sport. Nicht mal 15 Wochen RS würden reichen für eine vernünftige Ausbildung. Eine Armee-Wildwasser-Ausbildung könnte höchstens sein: "Wildwasserfahren ist in der Armee nicht erlaubt."

Ist das Boot (M6) wildwassertauglich?
Nein, das Boot kann nicht mal vernünftig auf einem See gerudert werden. Bei uns sind das Rettungsboote wobei wir 7 Personen auf dem P80 sind d.h. der 7te Soldat müsste dann schwimmen, da das M6 nur für 6 Personen zugelassen ist.
Im Übrigen sieht man den Booten an dass sie technisch völlig veraltet sind, einen fixen Boden haben (= füllen sich mit Wasser) und tonnenschwer sind.

War es ein Auftrag?
Nein, sicher nicht. Ich vermutet, dass die Soldaten seit Montag keinen Auftrag hatten, was im WK ja normal ist.

War es Teil der Ausbildung?
Ausbildung und WK?

Wie dem auch sei, wenigstens waren einige Kommentatoren (Tagi, NZZ) nicht auf den Kopf gefallen und schrieben vom wirklichen "Status Quo" der Armee. Aber eben leider nur als Kommentar.

So tragisch die ganze Sache ist, bleibt nicht anderes als auf das nächste Unglück zu warten. Und dann ist man dann wieder völlig überrascht.

BTW: Die Website der "Swiss Army Group" wurde übrigens wie auch das Facebook Profile von Yves M. vom Netz genommen. Dank Google Cache kann man auf die Startseite der SAC-Homepager zugreifen: Link.
Und diese kann man dann auch gleich mal speichern..